Von der Bitch zur coolen Sau. A&C Kolumne von Andrea Jansen.

In der Kolumne von Andrea Jansen geht es heute, im Idealfall, um den positiven Imagetransfer vom bekannten Gesicht zum passenden Produkt. Die Suche nach dem richtigen Prominenten in der Schweiz jedoch – einmal mehr – ein Sonderfall.

Aus der Werbewoche 08/2014

Bitch. Mein erster Gedanke, als Lara Gut mich eines Morgens am Bahnhof fröhlich angrinste: Ich trenne. Sich als Beziehungsspalterin so öffentlich zu outen, fand ich eine Sekunde später dann doch noch mutig. Und dass sie die ausgespannten Männer anscheinend als Senftuben bezeichnet, einen interessanten Ansatz. Der zweite Fall: Mel Winiger. Seit ihrem Geberit- Wasserfall-Auftritt sehe ich nur noch ihr herzförmiges, glattes Fudi vor mir. Auch wenn das natürlich never ever ihr eigener Allerwertester war. Aber die Assoziation bleibt. Ich höre Winiger – und sehe einen Arsch.

Eyecatcher sind beide Frauen. Bekannte Hingucker, bei deren Anblick man im besten Werbefall Sympathie empfindet, den so genannten Me-too- Effekt. Ob Image-Profil und Werbeeignung gegeben sind? Unter Umständen. Auch wenn man sich Mel nur schwer auf einem Closomaten vorstellen kann (oder will. Oder soll. Herrje). Und zu Lara Gut, die zu Recht kein Schätzli sein will und ihre Eigenwilligkeit mittlerweile zu ihrem Markenzeichen ge- macht hat, passt ein Alu-Sammel-Kübeli ähnlich gut wie rosa Knöchelsöckchen.

Prominente Testimonials sind in der Schweiz noch dünn gesäht. Die Auswahl erfolgt weniger über die im Ausland bereits etablierten und angewandten Kriterien (zur Wiederholung: visuelle Bekanntheit, Sympathiegrad, Produkt-Fit und Image-Profil), sondern oft via persönliche Präferenzen von Entscheidungsträgern. Dabei bleibt das wichtigste Eigenschaftskriterium, die Glaubwürdigkeit, auf der Strecke. Dass werbliche Aussagen von Prominenten gekauft sind, muss man dem Konsumenten nicht erklären. Wenn aber Christa Rigozzi für Heizungstechnik wirbt, kann man das allenfalls «herzig» finden, aber ein stimmiges Gesamtbild ergibt sich nicht. Eher dann, wenn eine junge Frau sich als Red- Bull-Moderatorin als sportlich positioniert, eine Sendung moderiert, die «Das Experiment – Wo ist dein Limit?» heisst und für die Sportlinie der Migros wirbt: Annina Campell. Das ist konsequent. Und ein fetter Schuss hinde use. Das Bakom sah das RTVG verletzt, das «ständigen Programm-MitarbeiterInnen » des Schweizer Fernsehens das Mitwirken bei Werbung untersagt. Die SRG wird gebüsst, die Lage nicht geklärt: Denn was ist eine ständige Mitarbeit? Gerade im Unterhaltungsbereich sind Einsätze klar auf einzelne Sendungen oder Projekte beschränkt, und der Ertrag reicht für all jene, die eben nicht «ständig» im Einsatz sind, nicht zum Leben. Ein Nebenerwerb muss her. Und hier schliesst sich der Teufelskreis: Die Grundvoraussetzung für den Erfolg einer Persönlichkeit ist eine starke TV-Präsenz mit einer möglichst grossen Reichweite. Die ist in der Schweiz auch 2014 primär durch das Schweizer Fernsehen gegeben. Und sie drängt alle, die ihr Gesicht nicht «ständig» dort zeigen, immer wieder unfreiwillig in eine gesetzliche (und moralische) Dunkelgrauzone: Darf ich oder darf ich nicht? Soll ich? Und was passiert, wenn ich es einfach mache? Zu lesen am Anfang dieses Paragraphen.

Um nicht auf «Gesichter von Marken» und vor allem auf deren Impact-Wert verzichten zu müssen, braucht es also andere Strategien. Die nötige Medienpräsenz wird im digitalen Zeitalter auf anderen Wegen aufgebaut: Radiostimmen kriegen im Web Gesichter. Top Tweets bringen Follower. Neue Formate kreieren und moderieren, die vielleicht keine Quote, dafür eine hohe Anzahl Downloads bringen. Man steckt prominente Persönlichkeiten nicht mehr in einen künstlichen Rahmen, sondern unterstreicht jene Eigenschaften, die sie tatsächlich herausragend machen. Zeigt die Dinge, an die sie glauben, wofür sie kämpfen und natürlich eben auch die, die sie kaufen würden. Da reicht nicht nur ein Gesicht, es braucht die ganze Persönlichkeit. Dann wirbt ein Testimonial auch mit Herz. Und drum noch zum Schluss: ein Hoch auf Miggy! Dieser coolen Sau kaufe ich nun wirklich alles ab.

Andrea Jansen schreibt in unregelmässigen Abständen im Namen von Andreas & Conrad Kolumnen für die Werbewoche.

Comments are closed.