Aus dem Tagesanzeiger vom 04.08.15
Ein Beitrag von Any Working Mom.
Mein Rat an werdende Eltern: Schenkt euch den Geburtsvorbereitungskurs – das Baby kommt schon irgendwie raus – und schreibt euch ein ins Konfliktbewältigungsseminar. Was euch nämlich niemand sagt: Mit dem Kind kommt der Krach. Er ist eine kleine, fiese Nachgeburt und wird euch plagen, bis das Kind ausgezogen ist. Aber item: Herzlichen Glückwunsch!
Mütter werden verändert. Man wird fordernder – immerhin hat man sich 10 Monate lang eingeschränkt, eine Geburt überstanden und muss wegen Parkbussen heulen. Jetzt ist der Mann dran, finden wir nach vollbrachter Tat, und der fühlt sich schnell kontrolliert, bevormundet, unter dem Pantoffel. Wo steckt bloss seine ehemals coole, spontane Frau? Diese hier ist zu müde und gereizt, um cool zu sein. Zu organisiert für Spontaneität. Yup, sexy ist anders. Wissen wir im Fall selber. Also bitte, nimm die Hand wieder von meinem Oberschenkel, danke.
Am besten, man lässt es in den ersten drei Monaten gleich ganz bleiben mit der Illusion, man könne nebenbei auch noch eine Beziehung führen. Als Mann und Frau, nicht Mami und Papi, versteht sich. Es ist eine Mission Impossible und unnötiger Stress. Ausser man wohnt mit den Grosseltern im gleichen Haus oder heisst Roger und Mirka. Dann … vielleicht … nein, wahrscheinlich auch dann nicht.
«War das bei euch auch so?», fragte mich eine Freundin mit besorgten, grossen Augen, während wir ihren frisch geschlüpften Sohn durch den Wald wägeleten. «Schlimmer», meinte ich und erinnerte mich sogar daran, sie explizit gewarnt zu haben vor dieser Beziehungsrevolution, die ein Kind mit sich bringt. Dass neu ein kleiner Diktator im Haus sein wird, der für die Bedürfnisse seiner Untertanen keinerlei Verständnis aufbringt. Und dass die Untertanen dann beschliessen, sich aus Mangel an Alternativen gegenseitig zu bekriegen. Sie muss wohl den gleichen Reflex gehabt haben, den Schwangere bei grausligen Geburtsrezensionen kriegen: Ohren zuhalten und Dumdidumdum.
Plötzlich ist da ein Minenfeld, wo vorher keines war. Wer kann schon antizipieren, wie es sich anfühlt, wenn das Baby um drei Uhr morgens endlich einschläft, man erschöpft aufs Bett sinkt und der Mann genau dann laut SCHNARCHT? Nicht nach Liebe. Au contraire.
Der Vater kann sowieso wenig richtig machen in dieser Zeit. Von ihm wird erwartet, dass er Gedanken liest (und wir wissen alle, wie gut Männer das können) und im richtigen Moment den Nuggi / die Flasche / die Schwiegermutter organisiert. Und vor allem da ist. Was den meisten nicht einleuchtet. «Ich brauche auch mal ein bisschen Zeit für mich» ist ein Satz aus Vatermund, der bei jeder Frau, die ein Jahr lang ihren Körper als Bed & Breakfast zur Verfügung stellt, schampar gut ankommt.
Als einigermassen gleichberechtigte Frauen erwarten wir nicht nur, dass unsere Männer gleich viel in die Betreuung investieren, sondern dass sie bitte auch die entsprechende Begeisterung dafür aufbringen. Viele Väter haben keine Idee, was man mit einem dermassen kleinen Menschen anstellen könnte, und drücken am Daddyday auf ihrem Handy rum, während sich der oder die Kleine in einem Teddybär oder dem Tischbein festbeisst. «Du gibst dir ja gar keine Mühe!» keife ich in solchen Momenten gerne, insgeheim wohl neidisch, weil ich nicht so tiefenentspannt bin in meinen Ansprüchen.
Die Lösung des Problems wäre wohl Gelassenheit (übrigens vor kurzem hier im Mamablog propagiert – von einem Mann) gegenüber allem: dem Puff in der Wohnung, dem Pouf um den Bauch, den klebrigen Fingerabdrücken auf dem neuen Sofa, dem Fakt, dass Papi der Tochter die Pischihosen fürs Familienfest angezogen hat, dass der Sohn die zweite Glace verdrückt und schon wieder mit dem Nuggi rumrennt.
Wäre. Drum bleibe ich realistisch und rufe unsere Babysitterin an. Die drei Monate sind längst vorbei.
Andrea Jansen schrieb diesen Gastbeitrag im Mamablog, welcher am 04.08.15 im Tages-Anzeiger publiziert wurde.
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